Karl Eschenburg

 Leben und Werk Karl Eschenburgs wurde in zahlreichen Büchern und Ausstellungen bereits umfangreich geschildert und illustriert. Dabei wurde und wird Karl Eschenburg als das „Auge Mecklenburgs“ verehrt. Dass der größte Teil seiner Aufnahmen während der Zeit des Nationalsozialismus entstand, wird dabei dezent verschwiegen oder verharmlost. Glaubwürdig sind diesbezügliche Auslassungen und Bemäntelungen nicht. Der Popularität Eschenburgs tut das aber keinen Abbruch.

Dabei gibt es durchaus Veröffentlichungen, die zu einem objektiveren Blick führen könnten. Der Schweriner Fotohistoriker Volker Janke hat im Jahr 2011 das Wirken Eschenburgs so zusammengefasst: „Die heile Welt und die vermeintliche Idylle in den Stadtansichten Eschenburgs demonstrieren eindringlich die Ziele des im März 1933 von Adolf Hitler geschaffenen Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, nämlich eine Stadt und eine Volksgemeinschaft darzustellen, die erst durch das NS-Regime ermöglicht wurde.“[1]

Sophie Große und Marie Sparfeld weisen ganz richtig darauf hin, dass mit den Veröffentlichungen von Eschenburg-Bildbänden in den 1990er und 2000er Jahren versucht wurde, Propaganda-Bildstrecken der 1930er Jahre in rein dokumentarische Aufnahmen umzudeuten.[2] Kathrin Becker weist darauf hin, dass Eschenburgs Porträtbilder nicht das Bild einer differenzierten
Gesellschaftsstruktur vermitteln. „Sie zeigen das Bild einer provinziellen Idylle.“ [3]

Die folgenden Zeilen werden sich Fragen widmen, die bisher eher selten in den Blick genommen wurden: Wie war die finanzielle Situation im fotografischen Gewerbe, als Eschenburg dorthin wechselte? Wie wirkten sich die Gleichschaltung des fotografischen Handwerks und der Medien im Nationalsozialismus auf die Fotografen und konkret auf Karl Eschenburg aus?

Karl Eschenburg hat sich seine fotografischen Kenntnisse autodidaktisch angeeignet. 1928 wechselte er aus seiner Tätigkeit als Ingenieur zur Berufsfotografie. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte er sich nicht aussuchen können, eigentlich. In der Photographischen Chronik, einem Fachblatt der Berufsfotografen ist in einer Mitteilung des Verbandes Mecklenburger Photographen zu lesen: „Es gab von allen Seiten Klagen über schlechten Geschäftsgang und über unlautere Elemente, die den Fachleuten das Brot schmälern.“[4]

Die Geschäftslage besserte sich in den kommenden Jahren nicht. Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 rutschte das Fotografenhandwerk in die größte Krise seit Erfindung der Fotografie. „Das Jahr 1931 war zweifellos dasjenige Jahr, welches einen nie zuvor gekannten wirtschaftlichen Tiefstand in den photographischen Betrieben brachte. Selbst in den schlimmsten Zeiten der Nachkriegszeit ist niemals eine so große Not zutage getreten wie im verflossenen Jahre.“[5]

Neben der allgemeinen schwierigen Wirtschaftslage wurden die Industrialisierung der Herstellung fotografischer Erzeugnisse, die Schwarzarbeit und die Amateurfotografie als Ursachen der Krise diagnostiziert.

Auch bei der Hauptversammlung des Verbandes Mecklenburger Photographen im Jahr 1932 war die Stimmung schlecht: „Wegen der Notlage im Beruf wurde beschlossen, die Mitglieder im ersten und zweiten Vierteljahr vom Beitrag zu befreien … Eine Aussprache über die Wirtschaftslage zeigte, wie schwer gerade unser Beruf betroffen wird.“[6]

In den Rostocker Adressbüchern lässt sich nachlesen, dass sich Eschenburg von Ende der 1920er bis Ende der 1930er Jahre mehreren Unternehmungen und Tätigkeiten widmete: Schiffbau-Ingenieur, Kunstgewerbe, Photographie, Raumkunst, Reise- und Verkehrsbüro, Photospezialhaus, Lichtbildverlag, Bildberichterstatter. Im Gewerbeteil der Adressbücher wird Karl Eschenburg von 1935 bis 1939 bei den Photoateliers geführt.

Dieses Sammelsurium spricht dafür, dass Eschenburg mit der Fotografie zumindest bis 1933 nicht viel verdiente. Und es wird deutlich, dass Eschenburg mit seinen Tätigkeitsbezeichnungen, die einen Bezug zur Fotografie hatten, herumlavierte. Die Berufsbezeichnung Fotograf ist bei Eschenburg in den Adressbüchern nicht zu finden.

Dauerhafte Reizthemen in den Fachblättern des fotografischen Berufsstandes waren die Fotoateliers in Warenhäusern, z.B. Wertheim in Rostock, und die beruflichen Quereinsteiger, die häufig als ambulante Fotografen ohne eigenes Atelier arbeiteten. Mit anderen Worten: die Feinde des Berufsfotografen waren die ganz überwiegend jüdischen Warenhauseigentümer und Männer wie Karl Eschenburg.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war unter den Fotografen die Hoffnung groß, dass den vermeintlich ungleichen und unfairen Wettbewerbern nun Einhalt geboten werde.

Dieser Logik folgend, hätte Karl Eschenburg der berufliche Aufstieg verwehrt bleiben müssen. Aber es kam bekanntlich anders.

Karl Eschenburg hat in großen Mengen Fotografien an NS-Blätter geliefert: an die Mecklenburgischen Monatshefte, die ab 1936 als „Amtliches Mitteilungsblatt für Kultur- und Heimatpflege der Gauleitung Mecklenburg-Lübeck der NSDAP“ fungierten, an das NSDAP-Parteiorgan „Niederdeutscher Beobachter“. Für die Mecklenburgischen Monatshefte lässt sich belegen, dass mit Eschenburgs Bildbeiträgen die Motive von etablierten und durchaus auch NS-nahen mecklenburgischen Berufsfotografen verdrängt wurden.

Eschenburgs Fotografien erschienen in mecklenburgischen Zeitungen, auch nachdem im Oktober 1933 das Schriftleitergesetz in Kraft getreten war. Eschenburg war nun verpflichtet, von den Lesern alles fernzuhalten, „was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern, den Gemeinschaftswillen des deutschen Volkes, die deutsche Wehrsamkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen …“. Da Eschenburg nicht primär zu den schreibenden Journalisten gehörte, nannte sich seine Tätigkeit nicht Schriftleitung sondern Bildberichterstattung. Der Gesetzestext galt für beide Tätigkeitsfelder. Um diesen Berufen nachgehen zu können, bedurfte es u.a. der deutschen Staatsangehörigkeit, „arischer Abstammung“ und einer fachmännischen Ausbildung. Vorgeschrieben war eine mindestens einjährige Ausbildung bei einer Zeitung. Zuständig für die Prüfungen waren die Landesverbände des Reichsverbands der Deutschen Presse. Für Karl Eschenburg ist eine derartige Ausbildung nicht überliefert. Es ist davon auszugehen, dass ihm die Ausübung der Tätigkeit als Bildberichterstatter ohne entsprechende Ausbildung gestattet wurde. Bei der Erteilung der Erlaubnis dürften auch andere Kriterien als die fotohandwerkliche Qualifikation herangezogen worden sein. Bereits für die Aufnahmeprüfung vor Ausbildungsbeginn wurden vorausgesetzt: „die genaue Kenntnis des Werkes „Mein Kampf“ und im Zusammenhang damit hinreichende Vertrautheit mit der neuen deutschen Geschichte, besonders mit der Geschichte des Nationalsozialismus, sowie Kenntnisse über den Aufbau der Partei und Staat.“[7] Während Karl Eschenburg die Erlaubnis zur Bildberichterstattung erteilt wurde, verloren aufgrund des Schriftleitergesetzes in Deutschland zur gleichen Zeit ca. 1400 Fotografen ihre Arbeit.

Die Gleichschaltung des fotografischen Handwerks wurde im April 1933 mit Personalwechseln an der Spitze des Centralverbands Deutscher Photographen-Vereine und -Innungen eingeleitet. Mit dem Gesetz über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 29.11.1933 und der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 15.06.1934 wurde für das fotografische Handwerk der Innungszwang eingeführt.

Am 11. Oktober 1934 fand in Güstrow die erste Versammlung der mecklenburgischen Photographen-Innung statt. Auf dieser Versammlung wurde der Antrag gestellt, „nur Mitglieder in die Innungs- und Handwerksrolle einzutragen, welche den Befähigungsnachweis erbringen.“ [8]

Um ein Fotoatelier zu führen, bedurfte es nun grundsätzlich eines Meisterbriefs. Zur Erlangung dieses Nachweises wurden Übergangsfristen eingeräumt und Sonderregelungen erlassen.

Die Innungsfunktionäre wussten zu berichten „daß leider 55-60 % der unseren Beruf Ausübenden die Photographie nicht erlernt haben, sondern aus allen möglichen anderen Berufen und als Folge ihrer Knipsertätigkeit in unseren Beruf übergewechselt sind.“ Die Quereinsteiger sollten „ihre Kenntnisse so erweitern, daß sie ebenfalls Qualitätsarbeit unseres Handwerks liefern und nicht durch minderwertige Arbeit das Ansehen unseres Berufsstandes schmälern.“[9]

Für manchen Fotografen verband sich mit der Innungspflicht die Hoffnung, die „Knipser“ zurückdrängen zu können.

Angesichts dieser Vorgaben ist es verwunderlich, dass sich der Name Karl Eschenburg von 1935 bis 1939 in den Rostocker Adressbüchern im Gewerbeteil Warnemündes bei den Photographischen Ateliers findet. Eschenburg hatte keinen Meisterbrief und er hat auch kein Atelier geführt, sondern war als freischaffender, ambulanter Fotograf tätig. Außerdem betrieb er ab 1929 eine Verkaufsstelle, „wo Aufträge zur Entwicklung von Filmen und zur Anfertigung von Abzügen angenommen wurden. Ferner wurde mit Fotobedarf, Kameras und Fotopostkarten mit Motiven von Karl Eschenburg gehandelt.“[10] 1936 eröffnete Eschenburg zusätzlich ein Photo-Spezialhaus in der Bismarckstraße. Derartige Häuser wurden in den 1930er Jahren üblicherweise von Fachdrogisten geführt. Auch diese Ausbildung hatte Karl Eschenburg nicht.

Mit seinen vielfältigen Unternehmungen passte Eschenburg nicht in das Raster der Gleichschaltung. Trotzdem wurde ihm die Möglichkeit gegeben, seine Geschäftstätigkeiten auszubauen.

Den mecklenburgischen Berufsfotografen war bereits auf der ersten Innungsversammlung von NSDAP-Mitglied Knorre von der Propagandastelle Güstrow mit auf den Weg gegeben worden, „das eigene ICH zum Nutzen der Allgemeinheit zurückzustellen“[11]. Was damit gemeint war, ließ sich in der Folgezeit in den Bildveröffentlichungen des „Rostocker Anzeigers“ und „Niederdeutschen Beobachters“ beobachten: die Urheberschaft abgedruckter Fotos wurde teilweise anonymisiert. „Allgemeine Klagen wurden über das Geschäftsgebaren des N.B. geführt, welcher wohl das Honorar von 5 RM für die Aufnahmen bewilligt, jedoch die veröffentlichten Bilder unter eigener Berichterstattung bringt.“[12] Diese Anonymisierung betraf zeitweilig auch Karl Eschenburg, dessen Urheberschaft dann gar nicht oder nur über das Kürzel „Ebg.“ erkennbar war. In Anbetracht der Tatsache, dass im Rostocker Anzeiger von 1927 bis 1939 mehr als 3000 Aufnahmen Eschenburgs erschienen, lässt sich das aber verkraften.[13]

Die Hoffnungen, welche die Berufsfotografen mit den Nazis verbunden hatten, erfüllten sich nur bedingt. So kämpften sie weiterhin vehement dafür, dass nur sie Passbilder anfertigen dürfen. Auch gab es Streit mit einigen staatlichen Behörden, die bei Auftragsarbeiten die Rechnungen kürzten.

Die Anonymisierung der fotografischen Urheberschaft hatte bei anderen Publikationen bereits Tradition, auch bei Ansichtskarten. Dieses Unwesen verstärkte sich während des Nationalsozialismus noch. Hier bildete Karl Eschenburg wieder eine Ausnahme. Auf den von ihm herausgegebenen Karten war sein Namenszug überaus präsent.

Unter dem Titel „Erste mecklenburgische Heimatbund-Ausstellung. Das Karl-Eschenburg-Lichtbild“ ist im Rostocker Anzeiger vom 18.01.1934 nachzulesen: „Reichsstatthalter Friedrich Hildebrandt hat als Schirmherr des dem Reichsbund Volkstum und Heimat eingegliederten Heimatbundes Mecklenburg das Protektorat über dessen Erste Lichtbild-Wanderausstellung übernommen und wird sie … feierlich eröffnen. … Der Nationalsozialismus gibt uns neuen Kulturwillen. Seelische Antriebe in dieser Richtung uns Mecklenburgern zu geben, kommt das Karl-Eschenburg-Lichtbild gerade zur rechten Zeit.“ Bei den Bildmotiven war kein Platz für „kulturloses Banausentum im neuzeitlichen Bau- und Landschaftsgestalten, man denke nur an den Mietskasernen- und „Villen-Stil“ der letzten fünf Jahrzehnte. … Vor solchen Objekten streikte wohl die Kamera Eschenburgs.“

Der Name Eschenburg wurde zur Marke. Eine Marke nationalsozialistischer Prägung.

Nicht nur für Zeitungen und Zeitschriften lieferte Eschenburg die Bilder, er fertigte auch Ansichtskarten von Jugendherbergen des Landesverbandes Mecklenburg und der Flakartillerieschule und dem Luftwaffenübungsplatz auf der Halbinsel Wustrow. Ob diese Bilderserien Auftragsarbeiten waren oder ob der Jugendherbergsverband und die Wehrmacht nur ihre Zustimmung gaben, ist nicht bekannt, lukrativ waren die Motive in jedem Fall. Karl Eschenburg hatte entweder gute Verbindungen zum NS-Staat und dessen gleichgeschalteten Organisationen oder er wurde gezielt vom Nationalsozialismus mit Aufträgen ausgestattet. Die beiden skizzierten Beispiele waren keine Einzelfälle.

Ob Eschenburg die Gesinnung der Nationalsozialisten teilte oder ob er „nur“ seinen Broterwerb im Blick hatte, bleibt dahingestellt. Mit seinen Motiven und mit seiner Person diente er sich den neuen Machthabern vehement an. Am 1. Mai 1933 wurde er Mitglied der NSDAP. Der Zeitpunkt lässt der Vermutung Raum, dass er kein glühender Anhänger war, sonst wäre er vielleicht schon früher Parteimitglied geworden. Die Tatsache, dass er trotz Aufnahmestopps in die NSDAP aufgenommen wurde, zeigt aber auch, wie sehr die Nazis auf ihn zählten.

Die Nationalsozialisten haben Karl Eschenburg für die Ausübung seines Berufes Privilegien eingeräumt, mit denen sie gegen ihre eigenen Gesetze verstießen. Während die Werke vieler Berufsfotografen ganz im Sinne der Gleichschaltung der Presse und der Volksgemeinschaft anonymisiert und unliebsame Pressefotografen aus den Verlagen entfernt wurden, protegierten die Nazis einen Autodidakten und Quereinsteiger.

 

[1] Janke, Volker: Ausstellung „Rostock Schwarzweiß. Karl Eschenburg und sein Rostock“, 25. Februar bis 22. Mai 2011 im Kulturhistorischen Museum Rostock. In: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern. Nr. 2/2011. Rostock, 2011.

[2] vgl. Große, Sophie/Sparfeld, Maria: „Zwischen Romantik und Nazi-Propaganda. Lesarten von Fotografien am Beispiel von Karl Eschenburg.“. In: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern. Nr.1/2012. Rostock, 2012

[3] Becker, Kathrin: „Kunsthistorische Studien zur Fotografie in Mecklenburg zwischen 1918 und 1945“. Dissertation. Greifswald, 2007

[4] Photographische Chronik. Nr. 13, Seite 126. Halle/Saale. 1928

[5] Tiedemann, Lorenz: Das Notjahr 1931. In: Photographische Chronik. Nr.1. Halle/Saale, 1932

[6] Photographische Chronik, Nr. 8, Seite 63. Halle/Saale, 1932

[7] Schmidt-Leonhardt, H./Gast, P.: Das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 nebst den einschlägigen Bestimmungen. S. 24. Berlin, 1934

[8] Photographische Chronik Nr. 22, S. 133. Halle/Saale, 1934

[9] Photographische Chronik Nr. 3, S. 18. Halle Saale 1935

[10] Becker, Kathrin: Kunsthistorische Studien zur Fotografie in Mecklenburg zwischen 1918 und 1945. Greifswald, 2007

[11] Photographische Chronik Nr. 22, S. 133. Halle/Saale 1934

[12] Photographische Chronik Nr. 50, S. 399. Halle Saale 1935

[13] Volker Janke: Ausstellung „Rostock Schwarzweiß. Karl Eschenburg und sein Rostock“, 25. Februar bis 22. Mai 2011 im Kulturhistorischen Museum Rostock. In: Zeitgeschichte regional. Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern. Nr. 2/2011. Rostock, 2011